Wo der Wein herkommt oder: Von der Unberechenbarkeit des Amtsschimmels

Es fällt auf, dass ihr in eurer neuen Weinlinie keine Lagenweine mehr deklariert. Warum eigentlich nicht?

Michael: Ich mag den Gedanken nicht mehr so sehr, dass ein Lagen-Wein automatisch der bessere Wein sei. Die Handschrift des Weinbauern prägt den Lagenwein mehr als die Lage als solche. Das Lagensystem ist leider zu einem reinen Vermarktungssystem geworden: Lage ist besser und darum teurer. So funktioniert ehrlicher Weinbau aber nicht. 

Sonja: Dieses System ist eine sehr grobe Schablone, die eigentlich wenig aussagt. Ein Korsett, in dem man sich nicht frei bewegen kann. Wir bewegen uns jetzt hin zu mehr Freiheit. Wir können damit noch viel stärker zeigen, was uns eigentlich ausmacht.

Michael: Es gibt aber auch noch einen konkreten, weniger erfreulichen Anlass: Im Februar 2020 ist einem Kellereiinspektor aufgefallen, dass auf einem unserer Etiketten bei der Anschrift „Rust im Burgenland“ steht. Das wäre schon ein Beschlagnahmungsgrund. Denn Weine, die nicht als Qualitätsweine klassifiziert sind, dürfen keine genaue Herkunftsbezeichnung aufweisen und nur „Wein aus Österreich“ heißen. De facto wird uns Naturweinwinzern also per Weingesetz die Herkunft genommen. Wenn ein Wein nicht filtriert ist, wird er automatisch keine Qualitätswein-Prüfung bestehen. Wenn du bio-zertifiziert bist, kannst du „Natural Wine“ auf dein Etikett schreiben. Aber du darfst nicht „Qualitätswein“ draufschreiben, nicht „Burgenland“ draufschreiben, geschweige denn nähere Herkunftsangaben oder Lagen. Jene, die nach bestem Wissen und Gewissen auf eine durch und durch nachhaltige Weise das Produkt vergorener Trauben in Flaschen füllen und damit eigentlich am allernächsten an der Herkunft dran sind, denen nimmt man diese Herkunft. Gleichzeitig existieren im Qualitätswein-System, das auch mit einer Herkunftsgarantie vermarktet wird, alle erdenklichen erlaubten Mittel, die Herkunft zu verschleiern, von der Entsäuerung über den Einsatz von Holzchips bis hin zu den sogenannten neuen önologischen Verfahren wie der Konzentration durch Vakuumverdampfen. Alles erlaubt. Aber ich darf nicht „Neusiedlersee“ auf meine Flaschen schreiben. Das ist schon skurril.

 

Warum ist das Weingesetz in Österreich so streng?

Michael: Ich finde übrigens schon, dass es eine strenge Qualitäts- und Herkunftskontrolle braucht. Das Weingesetz ist an sich ja nicht schlecht. Das Problem ist, dass die Naturweinbewegung durch alle bürokratischen Raster fällt. 

Sonja: Wir sind mit Einschränkungen konfrontiert, die immer undurchschaubarer werden. Naturwein kann nach dem Weingesetz niemals Qualitätswein werden, während manipulierte Getränke sehr wohl eine Qualitätswein-Prüfung bestehen können. Naturweinwinzer sind keine Revoluzzer, die sich aus Prinzip gegen das Gesetz oder die Bürokratie stellen. Im Gegenteil: Wir würden gern in dieses System integriert werden. 

Michael: Es spricht überhaupt nichts dagegen, dass auch Naturweine wie Qualitätsweine behandelt werden, mit einer klar geregelten Qualitätskontrolle, Prüfung durch geschulte Fachleute. Man müsste es nur wollen. Wir würden wollen. 

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